Freitag, 8. Mai 2009


Die Gemeinde hat uns geantwortet. Auf unseren Wunsch hin hat sie uns für das Jahr 2009 mit künstlerischen Arbeiten beauftragt, und zwar mit folgenden:


Wir würden uns vorstellen:
- dass Antje die Fassade der Talstation unserer Seilbahn mit einem Kunstwerk verschönern würde. Das Motiv müsste noch in Zusammenarbeit mit Dir besprochen werden.
- Thomas könnte an diversen markanten und schönen Aussichtspunkten unserer Wanderwege kurze Filmaufnahmen oder Fotos realisieren. Diese Filmsequenzen und/oder Fotos würden wir dann auf unsere Homepage einspielen.


Wir danken der Gemeinde für die Aufträge und kündigen unseren Besuch für den 11. bis 21. September an, „wieder in der Jagdsaison“, sagt Gabriel, der Kanzlist.

Montag, 19. Januar 2009

Zweites Jahr (Anfang)


Das zweite Jahr beginnt noch im ersten Jahr. Nachdem wir unsere Idee für das Jahr 2009 schon bei unserem ersten Aufenthalt vorgeschlagen hatten, haben wir der Gemeinde Fanas, dem Gemeinderat und dem Gemeindepräsidenten diesen Brief geschickt, um unser Angebot verbindlich zu machen:




Gemeinderat der Gemeinde Fanas
Rathaus
CH - 7215 Fanas

Berlin, 6. November 2008

Lieber Gemeindepräsident, lieber Gemeinderat,
liebe Gemeinde Fanas!

Als erstes möchten wir Euch danken für den schönen ersten Aufenthalt, den wir bei Euch gehabt haben. Ganz Berlin weiß jetzt, dass es in Fanas am allerbesten ist.
Im nächsten Jahr kommen wir wieder und können wieder bei Christian und Beatrice Gerber wohnen. Unser Thema für das nächste Jahr steht auch schon fest – einige kennen es schon:
Wir stellen uns der Gemeinde zur Verfügung, bereit, das zu tun, was uns aufgetragen wird.

Es wäre also an der Gemeinde, sich eine Aufgabe für uns zu überlegen. Wo wären zwei Künstler nützlich? Wir können malen, zeichnen, schreiben, Videos machen. Wir können ein Wandbild malen, ein Büchlein über den Volg machen oder einen Film über die Schule; wir können den Gemeindepräsi
denten portraitieren oder ein Pflanzenregister anfertigen, um ein paar Beispiele zu nennen. Wenn Ihr Vorschläge habt, können wir gemeinsam prüfen, wie viel Zeit sie beanspruchen würden, welche Vorbereitungen nötig wären oder wo Kosten entstünden.

Eines wäre für uns wichtig: Eine Art Bericht darüber, wie ihr entschieden und unseren Auftrag gefunden habt. Wer wird gefragt, und in welcher Weise? Was spricht für oder gegen welchen Vorschlag? Das interessiert uns alles sehr. Vielleicht könnt Ihr das eine oder andere Foto machen.
Dafür wären wir sehr dankbar!

Bis zum Ende des Jahres werden wir auf Reisen sein.
Wir freuen uns, von Euch zu hören.
Herzliche Grüße aus Berlin, wo es neblig ist,
Antje und Thomas




Mit Beatrice und Christian Gerber haben wir schon besprochen, dass wir gern wieder im September nach Fanas kommen möchten, um uns mit dem Auftrag zu beschäftigen (falls der Auftrag in dieser Jahreszeit zu erledigen ist). Bis jetzt wissen wir noch nicht, was die Gemeinde mit uns vorhat. Wir sind zusehends gespannter.

Ein Bericht im Tages-Anzeiger

Die Journalistin Brita Polzer hat für den Züricher Tages-Anzeiger einen Text verfasst; (leicht gekürzt) ist er erschienen in der Ausgabe vom 20.11.08:

Gemeindekünstlerin
5-Jahres-Plan für Antje Schiffers


Sonntag 14 Uhr im Gemeindesaal von Fanas, Prättigau. Draussen Herbstsonne, unglaubliche Ruhe, Brunnenplätschern. Circa zwanzig Personen sind gekommen, um – so steht es auf einem kleinen ausgehängten Plakat – einen “Bildvortrag“ von „zwei Künstlern aus Berlin“ präsentiert zu bekommen. „Wir sind für die nächsten fünf Jahre Ihre Gemeindekünstler“, sagt Antje Schiffers „Wir können malen, zeichnen, schreiben, Filme oder Bücher machen. Wir können den Gemeindepräsidenten in Öl malen, wenn Sie das wollen“. Was so einfach klingt, ist wesentlich schwieriger als gedacht. Denn was will ein 400 Personen-Dorf von einer Künstlerin, die mit ihrem Ehemann Thomas Sprenger und Sohn Iwan angereist ist, um einen Auftrag zu empfangen. Wie kann ein demokratisches Gefüge, ein kleines Dorf auf dem Land, an eine ehemals mit feudaler Herrschaft verbundene Auftragstradition anknüpfen? Denn wenn sich Familie Schiffers als Gemeindekünstler deklariert, fordert sie nicht weniger als die Überwindung der Kluft zwischen „interesseloser“ Autonomie der Kunst und ihrer Indienstnahme durch eine ausserkünstlerische Instanz ein.

Mit ihren Auftrags- und Tauschgeschäften experimentiert die 1967 auf einem Hof bei Wolfsburg in Deutschland aufgewachsene und in Berlin lebende Antje Schiffers genau an dieser Schnittstelle, die auch das heroische Künstlerbild oder den Glaubenssatz des ewig Neuen tangiert. Unentwegt auf „Dienstreise“ und unter vielfältigen Berufsbezeichnungen unterwegs - als „Blumenzeichnerin“ in Mexiko, als „Wandermalerin“ von Italien bis Usbekistan oder als „Werkskünstlerin“ bei Firmen – baut Schiffers über ihre Arbeit spezifische Beziehungen zu den jeweils besuchten Gemeinschaften auf. Auftragssituationen stellt sie dabei selber her, indem sie sich beispielsweise an eine Firma wendet und fragt, ob man nicht eine Künstlerin brauchen könne. Das löst Befremden und Erstaunen - und dann auch grosses Gefallen und Nachdenken über den eigenen Betrieb und zugleich über Kunst aus.

Um dem Publikum in Fanas ihr Vorgehen anschaulicher zu machen, stellt Schiffers ihr von der deutschen Kulturstiftung des Bundes finanziertes, an ethnografische Methoden anknüpfendes Projekt „ich bin gerne Bauer und möchte es auch gerne bleiben“ vor (www.ichbingernebauer.eu). Seit acht Jahren reist sie auf ausgesuchte Höfe in Europa und schlägt ein Tauschgeschäft vor: ein von der Künstlerin gemaltes Gemälde vom Hof gegen ein von den Landwirten – häufig mit Hilfe von Thomas Sprenger - gemachtes Video, in dem diese ihre Arbeit darstellen. Auch einer der acht Höfe in Fanas hat sich bereit erklärt mitzumachen und während Schiffers nun vom gemeinsam bestimmten Staffeleistandort aus den Hof abmalt, entsteht gleichzeitig der Film, der in ihr wachsendes Archiv über den aktuellen Zustand europäischer Landwirtschaft integriert wird.

Was will ein Dorf von eine Künstlerin? Soll sie tatsächlich den Gemeindepräsidenten repräsentativ in Öl auf Leinwand setzen, wäre eine dekorative Wandmalerei an der Seilbahnmauer besser oder würde ein Bild vom Rückgang der landwirtschaftlich genutzten Flächen und der damit einhergehenden Verwaldung der Situation gerecht? Sie seien zu allem bereit, sagt die Künstlerin, aber man solle ihnen dann genau berichten, wie der Entscheidungsfindungsprozess verlaufen sei. „Wir verlassen die Gemeinde mit dem Auftrag, sich einen Auftrag auszudenken.“ Will Fanas das Tauschgeschäft gleichgut wie die Künstlerin erfüllen, muss es sich mit zeitgenössischer Kunst und der Frage, was eine demokratische Gesellschaft von ihr will, auseinandersetzen.



In den kommenden fünf Jahren wird die Künstlerin je eine Woche bei einer Gastfamilie in Fanas verbringen. In die Schweiz eingeladen wurde sie vom Künstler Peter Trachsel (Dalvazza), der das Projekt „Ein Museum in Bewegung“ (www.museumpraettigau.ch) durchführt. Sechs Jahre lang werden 14 KünstlerInnen in 14 Gemeinden des Prättigau im Austausch mit Bewohnern und Bewohnerinnen Projekte entwickeln.